ich dichte erst jetzt ein lied über die freude am sprechen ein lied für stumme autisten zu singen in anstalten und irrenhäusern
nägel in astgabeln sind die instrumente ich singe das lied aus der tiefe der hölle und rufe alle stummen dieser welt erklärt den gesang zu eurem lied taut die eisigen mauern auf und wehrt euch ausgestoßen zu werden
wir wollen eine neue generation der stummen sein eine schar mit gesängen und neuen liedern wie es die redenden noch nicht vernommen haben unter allen dichtern fand ich keinen stummen so wollen wir die ersten sein und unüberhörbar ist unser gesang ich dichte für meine stummen schwestern für meine stummen brüder
uns soll man hören und einen platz geben wo wir unter euch allen wohnen dürfen in einem leben dieser gesellschaft
Birger Sellin am 21. September 1992
Die Arbeit mit sog. Kanner-Autisten, die in der Regel kaum bis gar nicht sprechen, war Ausgangspunkt der Auseinandersetzung mit Inklusion.
Wir wollten den Kindern begegnen. In ihrer Stille. In ihrer Spiritualität. Und wir glauben, dass in unserem Zirkuswagen dafür ein besonderer Ort war und ist.
Ein Ort der Stille. Der Begegnung. Mit der Seele. Im Gespräch mit Gott. Im Schweigen mit Menschen.
Der Ort passte sich den Kindern an. Die Umgebung war für sie traumhaft.
Wie im Märchen.
Es gab und gibt eine Tiefe zu erleben, die auf den Grund geht. Auf den Grund der Existenz.
Wir haben das erlebt. Mit Kindern.
Und wenn man dabei sein darf, wie ein Jugendlicher aus dem Zirkuswagen heraustritt und zum ersten Mal seiner Oma einen Kuss auf die Wange gibt, dann glauben Sie an Wunder der Stille, an Begegnung der Seele. Und an Gespräche mit Gott - auch wenn es ohne Worte geschieht.
"Alle Menschen sind behindert. Stellen Sie sich im Ausland auf den Marktplatz der Hauptstadt - und sie werden schnell merken, wie sprachbehindert Sie sind."
Menschen sind nicht behindert. Sie werden behindert. Durch den Kontext, in dem sie leben. Dieser Kontext wird - modellhaft gesagt - systemisch definiert und normiert. Die, die dazukommen und nicht "passen" oder irgendwie "unnormal" scheinen, erleben Ausgrenzung. Und das kann in vielen Bereichen geschehen. In der Wissenschaft wird das unter dem Begriff der Intersektionalität diskutiert.
D.h. wir arbeiten mit einem sog. "weiten Inklusionsbegriff", der sich systemisch abbilden lässt und auf vielfältige Ausgrenzungserfahrungen beziehen lässt.
Mit dieser Einsicht beginnen wir nach dem zu suchen, was wir mit Umkehrung der Anpassungsleistung meinen: Menschen leben mit Einschränkungen, die sie von anderen unterscheiden. Was aber von beidem nun "normal" ist, wird ja erst noch zu definieren sein. Trotzdem, oder geade: deswegen. Wir gehen nicht davon aus, dass die (systemisch gesagt) von außen dazukommenden sich anpassen müssen. Inklusion heißt: Den Wert und den Beitrag der Dazukommenden so ernst zu nehmen, dass sich das System zu verändern bereit und in der Lage ist. Es beginnt sich zu hinterfragen.
So haben wir das anfangs mit den Autisten erlebt: Es ging gar nicht primär um Teilhabe und Teilgabe, sondern die Umkehrung der Anpassung. Wir gehen eben nicht davon aus, dass die Kinder und Jugendlichen mit Handicaps und Förderbedarfen sich ihrer Umwelt anzupassen haben. Diese muss sich ihnen anpassen. Unser Inklusions-Verständnis begann - wie Sie oben vielleicht gelesen haben - in der Stille des Zirkuswagens. Hier hatten gerade die Kinder etwas zu sagen, die kein Wort sprechen. Aber das muss man erstmal aushalten, sich dem erstmal hinhalten. Ihr Beitrag war die Stille. Das Schweigen.
Das ernst nehmen. Und nicht nur unter einem defizitären Blickwinkel zu betrachten, sondern zu fragen: was "sagt" mir das. Wo und wie fordert es mich heraus? Das hat uns verändert. Und diese Perspektive hat bisher alles verändert, wohin wir mit diesen Erfahrungen auch kamen. Es ist wie der Tropen, der in einem Reagenzglas die Farbe ändert, so verändert Inklusion Haltung und Perspektive - vieler! Und es war mehr als entlastend für viele Familien zu erleben, wie großartig der Beitrag dieser Kinder zur Entschleunigung und zur Stille war. Begegnungen in der Tiefe der Seele. Das war ihr Beitrag. Und ihre Umwelt hat sich das zu eigen gemacht. Nach und nach!
Aber klar: wir sind nicht so naiv zu sagen, dass die Einschränkungen nicht wirksam wären. Aber es geht doch darum, mit welcher Sicht wir aufeinander schauen.
Die UN-Behindertenrechtskonvention ist die Grundlage für das, was wir im Bundesteilhabegesetz normativ zur Kenntnis zu nehmen haben. Aber auch, was als Teilhabe und Teilgabe in den Köpfen vieler erst noch zu etablieren ist. Das gilt auch für Kirche und Diakonie. Das stellen wir leider oft fest.
Wir versuchen daher, unsere systemische Perspektive in viele Kanäle zu kommunizieren. Wie gesagt: vor allem auch in Kirche und Diakonie. Dort werden wir gehört. Digital haben wir endlich die Möglichkeit, auch weit darüber hinaus.
Mit diesem weiten Inklusionsbegriff haben wir vor allem in den ersten Jahren des Vereins gearbeitet. Mehr dazu im Projektbericht.
Über drei Jahre haben wir inklusive Klassen in Förderschulen begleitet und dabei immer wieder festgestellt, dass unser Bildungssystem wenig in der Lage ist, sich an spezielle Förderbedarfe anzupassen.
Die Familien setzt das massiv unter Druck. Unendlich viele Termine beim Schulamt, beim Psychologen, Ärzten. Jedes Mal eine neue Tortur. Und nicht nur für die Kids, sondern für die ganze Familie enormer psychischer Stress.
"Es ist manchmal kaum zum Aushalten. Wir würden gern viel mehr tun. Aber wir geben unser Bestes..." sagt Sabine W, Lehrerin in Hanau.
So ist es, wenn die Umwelt sich nicht anpassen kann, sondern deren Regeln sich definieren von "der Norm" her. Dass es beispielsweise in den nordischen Ländern gerade im Bildungssystem auch anders geht, ist bezeichnend. Unsere Pädagogik dagegen ist am Ende doch weitgehend funktional definiert, auch wenn sie im Rahmen dessen von Schülerinnen und Schülern her zu denken gelernt hat.
Die Weisse-Feder hat dieses Projekt 2017-2019 durchgeführt mit Mitteln der Hessischen Landesbank.
In den digitalen Medien kann jeder dabei sein. Die Schwellen sind niedrig, wenn man das Technische mal überwunden hat.
Wir haben digitale Medien für uns - wie so viele - in der Pandemie entdeckt. Erst per Zoom. Und dann mit Lust in der Umsetzung von digitalen Projekten im Webhosting-Bereich.
Worum es aber geht: Wir müssen nicht zur Arbeit fahren, wir können von Raum und Zeit unabhängig dabei sein. Unser eigenes Tempo. Und uns Gehör verschaffen.
Die Schwellen, die uns behindert erscheinen lassen, sind nicht oder anders da. Und obwohl es noch viel Arbeit gibt, auch Digitalisierung barrierefreier zu gestalten:
Digitale Teilhabe mit doppeltem Boden
Hier werden wir gehört, hier können wir was beitragen. Hier können wir Container und Content beisteuern.
Und Inkluson ist ein Thema, das wir mit doppelter Perspektive spielen: Als solche, die den Kanal bedienen, und als solche, die den inklusiven Themen einen inklusiven Spiegel vorhalten.
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